Eine Welt, die sich anpasst: Die vielen Gesichter der Marke Palmers

Front view Palmers Store
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Sexy und provokant. Bequem und hochwertig. Innovativ und modern. Die Marke Palmers hat sich in 105 Jahren Unternehmensgeschichte mehrmals neu erfunden. Seit der Gründung des „Restenkönigs“ 1915 in Innsbruck ist von den kleinen Anfängen nur das Krönchen im markant grünen Logo geblieben. Innovatives Marketing und ein gutes Gespür für gesellschaftliche Trends machten Palmers zu einer Kultmarke in Österreich und darüber hinaus. Nach einer Phase der Konsolidierung steht Österreichs größtes Textilunternehmen nun wieder auf Erfolgskurs. Was können Marketer von Palmers’ wechselvoller Geschichte lernen?

Eine Welt, die passt. Mit diesem neuen Slogan präsentiert sich Österreichs bekannteste Wäschemarke Palmers seit 2019. Es ist das letzte, öffentliche Signal einer fünfjährigen Wandlung. 2015 übernahmen die österreichischen Familien Wieser und Hutmann das kriselnde Unternehmen vom deutschen Beteiligungsfonds Quadriga Capital. Eine Restrukturierung und schließlich auch eine Neuausrichtung im Marketing folgten. Das Motto: Weg von den jahrzehntelang erfolgreichen „Sex sells“-Motiven mit Supermodels – hin zur „Frau von Nebenan“, mit all ihren „Ecken und Kurven“, so die aktuelle Botschaft von Palmers.

Palmers: Jeder Zeit ihr Marketing

Nicht zum ersten Mal erfindet sich die Marke Palmers neu. Seit Ludwig Palmers sein erstes Wäschegeschäft „Restenkönig“ 1915 in Innsbruck eröffnete, ist die Geschichte des Unternehmens untrennbar mit seinem Marketing verbunden. Auf Zeitungsinserate in den 1920ern folgte bereits Anfang der 1930er das charakteristische – und damals äußerst innovative – Corporate Design. Das laut Legende eher zufällig ausgewählte unverwechselbare Grün sowie das Logo mit der Krone zierten alle Filialen. Nach den von Improvisation gekennzeichneten Kriegsjahren etablierte Palmers sich als verlässliche Wäscheversorgerin des Wirtschaftswunders, nur um den Staub der Jahrzehnte Anfang der 80er mit provokanten, betont sexy Motiven vehement abzuklopfen.

Gerade in den 90ern wurden viele der Sujets zum Kult und untermalten eine aggressive Expansionsstrategie in bis zu 15 europäische Länder. Angesichts des modernen Feminismus sowie einem Trend zu mehr Tragekomfort und Nachhaltigkeit kehrt die Marke nun wieder zurück zu ihren Wurzeln – dem traditionellen Grün, einem Fokus auf Passform und Models, die ihre weibliche Zielgruppe ab 38 Jahren stärker zur Identifikation einladen. Der Erfolg scheint dieser Rückbesinnung Recht zu geben – nach Jahren der Turbulenzen verzeichnet man bei Palmers wieder solides Wachstum. Worauf stützt sich der langfristige Erfolg der Marke Palmers? Einige Antworten.

Pioniere im Vorteil: Faktor Innovation

Gründer Ludwig Palmers glänzte schon bald nach der Gründung seines Unternehmens mit Einfallsreichtum und Innovationsfreude – sowohl beim Produkt als auch im Marketing. Schon in den 30ern setzte er auf ein plakatives Unternehmenslogo in auffälligem Grün und mit Krönchen, das den Franchise-Geschäften von Palmers Aufmerksamkeit verschaffte. Und das in Zeiten, in denen Corporate Design oder das Franchise-Konzept nur den wenigsten Unternehmen ein Begriff waren. In den von Mangel gekennzeichneten Kriegsjahren bot Palmers der weiblichen Kundschaft den sogenannten „Strumpfzauber” an – eine Art früher Selbstbräuner, der zumindest optisch das Gefühl der zu jener Zeit kaum verfügbaren Seidenstrümpfe vermittelte. 1949 ersetzte die mondäne Palmers-Münze in grün-gold die konventionellen Gutscheine und wurde prompt zum beliebten Geschenksklassiker. Jahrzehnte später gehörte der Palmers Online-Shop 2000 zu einem der ersten umfangreichen Angebote in der bis dahin recht begrenzten Welt des E-Commerce. Fürs Frühjahr 2020 sind bei Palmers nun die Einführung von Kerzen, Bettwäsche und anderen „schlafzimmernahen” Produkten geplant. Ein Schlag in die historisch bewährte Kerbe: Flexibilität angesichts neuer und wiederkehrender Trends.

Trau dich doch: Faktor Provokation

Im Kampf um die Aufmerksamkeit der Zielgruppe setzte Palmers immer wieder erfolgreich auf Provokation. Schon in den 1950ern versetzten Plakate, die bis übers Knie sichtbare Damenbeine abbildeten, die prüde Nachkriegsgesellschaft in helle Aufregung. Anfang der 80er entstaubte Palmers das in den 1970ern entstandene Biederimage. In dreiteiligen Fotostrecken inklusive offensiven Headlines wie „Du bist schön.“ oder „Trau dich doch.“ posierten erstmals internationale Supermodels.

Unerhört waren bis zu jener Zeit auch nackte Männer als Models. Hier leistete Palmers sozusagen Pionierarbeit. Und nicht nur in Österreich sorgte das Motiv der Gruppe auf dem Bauch liegender Models als Werbung für Feinstrumpfhosen (ohne Unterhosen) in den späten 90ern für Furore. So verstand Palmers es immer wieder, mit kleinen Grenzüberschreitungen die Aufmerksamkeit der Presse, aber auch die Empörung verschiedener Interessensgruppen für sich zu nutzen. Eine riskante, aber über lange Zeit erfolgreiche Strategie, die erst in den 2010er-Jahren an Zugkraft verlor. 2020 scheinen Palmers’ Tage der Provokation vorüber zu sein – vorerst, zumindest.

Zeichen der Zeit erkennen: Faktor Flexibilität

Was Frauen von ihrer Wäsche wollen, ändert sich immer wieder. Palmers’ Marketingbotschaft griff gesellschaftliche Strömungen nicht nur auf, sondern gestaltete sie teils mit. Wurde in der Nachkriegszeit vor allem die stützende und formende Qualität von BHs geschätzt, wollten sich die Frauen der späten 1960er und 1970er vor allem nicht eingeengt fühlen. Palmers reagierte darauf prompt mit kaum spürbaren, leichten „No-bras“.

In den frühen 1980ern stand vor allem die selbstbewusste weibliche Sinnlichkeit im Mittelpunkt – ein Trend, den Palmers ebenfalls früh erkannte und aktiv befeuerte. Die Strategie machte Palmers in den 90ern und frühen 2000ern über Österreichs Grenzen hinweg zum Kult. Einzelne Plakatsujets wurden Sammlerobjekte. Doch das jahrzehntelang zuverlässige „Sex sells“ geriet im Zuge öffentlicher Debatten um alltäglichen Sexismus immer mehr in die Kritik – vor allem bei Palmers’ Hauptzielgruppe, den Frauen. Seit Ende der 2010er-Jahre stehen wieder Tragekomfort, Identifikationspotenzial und Nachhaltigkeit der Wäsche im Vordergrund. Auch bei Palmers.

Back to the Roots: Faktor Beständigkeit

Die marketingstrategische Neuausrichtung von Palmers mit einem verstärkten Fokus auf die Zielgruppe (Frauen ab Ende 30) scheint einen Kreis für das Unternehmen zu schließen. In Zeiten globaler Umstürze, technologischer Revolutionen und Gesundheitskrisen sind Vertrautes, Sich-Wohlfühlen und Beständigkeit gefragter denn je – all das bedient Palmers mit der neuen „Eine Welt, die passt“-Kampagne besser denn je. So wurde das kühl-moderne Olivgrün der letzten Jahre wieder durch das klassisch kräftige Palmers-Grün ersetzt, die Werbemittel zeigen vielfältige „Frauen von nebenan“ verschiedener Altersgruppen und auch eine eigene nachhaltige Wäschelinie wird angeboten. Dazu kommt die geplante Erweiterung des Angebots um Home-Produkte wie Kerzen, Bettwäsche, etc. So scheint Palmers auch für die 2020er gerüstet. Bis zur nächsten Wandlung.

Palmers: Die MARMIND-top-Tipps

Wiedererkennbar bleiben – ein starkes Corporate Design bleibt auch langfristig ein visueller Anker.

Weiterdenken – wie lassen sich aktuelle Trends zur Marke passend berücksichtigen? Welche anderen Produkte ergänzen die eigene Marke sinnvoll?

Mut zum Abschied haben – auch erfolgreiche Strategien haben ein Ablaufdatum; eine gute Gelegenheit, sich neu zu erfinden!

Dieser Artikel entstand auf Basis folgender Quellen:

https://www.dessous-diary.com/1oo-jahre-palmers-rueckblick-und-vorschau/

https://www.palmers.at/die_palmers_geschichte

https://www.gewinn.com/management-karriere/unternehmen-maerkte/artikel/die-spitzenbrueder/

https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20190409_OTS0132/die-neue-welt-von-palmers-eine-welt-die-passt-bild

https://www.academia.edu/37334503/Die_diskrete_Familie_Palmers

https://www.trend.at/wirtschaft/dessous-skandale-jahre-palmers-5105188/5104512

Verfasst von

Picture of Peter Ramsenthaler

Peter Ramsenthaler

Als Peter Ramsenthaler in den 90ern bei einem Weltkonzern arbeitete, stellte er fest, dass Excel-Chaos und mühsame Prozesse dem Marketingteam das Leben erschwerten. Damit Marketer sich auf die Umsetzung außergewöhnlicher Ideen konzentrieren können, beschloss er kurzerhand, eine Software für die sichere Steuerung im Marketing zu entwickeln.