Bier findet Stadt: Ottakringer zwischen Traditionsbrauerei und urbaner Erlebnismarke

Pint of Ottakringer beer on counter
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Am umkämpften österreichischen Biermarkt behauptet sich die unabhängige Brauerei Ottakringer seit Jahren als Nummer 3 – internationalen Braukonzernen zum Trotz. Neben der unbestrittenen Marktführerschaft rund um Wien entwickelte sich Ottakringer innerhalb weniger Jahre von einer bodenständigen Brauerei zur innovativen Eventmarke und „Kreativbierschmiede“. Im Fokus: eine junge, weltoffene und urbane Zielgruppe, die Ottakringer nicht nur als traditionellen Durstlöscher, sondern als Teil ihres Kultur- und Freizeitlebens begreifen soll. Auf welche Faktoren setzt Ottakringer in seiner Marketingstrategie?

Kaum eine österreichische Biermarke ist so eng mit dem eigenen Standort verbunden wie die Ottakringer Brauerei im 16. Wiener Gemeindebezirk. Über 180 Jahre nach der Gründung befindet sich das Unternehmen weiterhin in dem historischen Arbeiterbezirk gleichen Namens mitten in Wien. Ebenfalls auf dem Gelände: der hauseigene Brunnen, aus dem noch immer das Wasser für die gesamte Produktion geschöpft wird. Vielleicht kein Wunder, dass Ottakringer besonders stark in der regionalen Wiener Kultur verwurzelt ist. Unter dem Spitznamen „16er-Blech“ (in Anspielung an den 16. Bezirk) wurde Ottakringer Helles in der Dose zum augenzwinkernden Sinnbild für das bodenständige Lebensgefühl am Wiener Würstelstand.

Vom „16er-Blech“ zum „urbansten Bier Österreichs“

Seit 1986 notiert die Ottakringer AG an der Wiener Börse, zur Gruppe gehören neben der Ottakringer GmbH auch Vöslauer Mineralwasser sowie der Bereich Gastronomiefachhandel. Zeitweise hielt der internationale Bierkonzern Heineken über 13 % der Aktienanteile, doch seit deren Rückkauf 2009 ist das Unternehmen wieder voll in österreichischem Besitz. Mit Witz und Erfindungsreichtum sorgten Ottakringer und seine Biere immer wieder für Aufsehen. Das alkoholfreie „Null Komma Josef“ machte den umgangssprachlichen Ausdruck für „gar nichts“ bekannter denn je, und mit dem 2007 eingeführten Dosenbier „16er Blech“ reagierte man mit Ironie auf die eigene Legende. In den letzten Jahren wurde die Marke Ottakringer zunehmend modernisiert. Das Ziel – die Positionierung als „urbanste Biermarke Österreichs“, ohne auf die eigenen Wurzeln zu vergessen. Wir haben einen genaueren Blick auf Ottakringers Marketingstrategie geworfen.

Lust auf Neues: die Innovation

Ottakringer zeigt sich seit jeher innovationsfreudig, wenn es um Produkte geht. Dem ungebrochenen Trend zum Craft Beer begegnet man offensiv. Unter der Submarke Ottakringer BrauWerk erscheinen regelmäßig kreative Biervarianten nach internationalem Vorbild für junge, experimentierfreudige Bierliebhaber. Und das erfolgreich – die BrauWerk IPAs, Porters und Vienna Pales mit schrägen Namen und in exotischen Geschmacksvarianten gewinnen regelmäßig nationale und internationale Bierpreise. Unterstützt wird der moderne Anspruch der Produktlinie durch ein eigenständiges Corporate Design, das sich eindeutig vom bodenständigeren Auftritt der Muttermarke Ottakringer unterscheidet. Ein gelungener Spagat zwischen Neuland und Wiedererkennbarkeit.

Mehr als Bier: die Experience

Ottakringer will mehr sein als der bevorzugte Durstlöscher seiner Zielgruppe. Unter der Flagge des inzwischen in „Beer Base Vienna“ umgetauften BrauWerks präsentiert sich die Brauerei als atmosphärischer und vielseitiger Veranstaltungsort, an dem die Gäste lange und gern Zeit verbringen sollen. Wem Bierverkostungen oder eine Brauereiführung nicht ausreichen, der kann z. B. im Rahmen der Brautage mit Ottakringer-Experten fachsimpeln oder gar eine Biersommelier-Ausbildung absolvieren. Aber nicht nur Bierfans sollen sich von Ottakringer angesprochen fühlen.

Während der 2012 eingeführten Braukultur-Wochen, die dieses Jahr aufgrund der aktuellen Situation in leicht veränderter Form stattfinden, öffnet Ottakringer das Unternehmensgelände neun Wochen lang. Live Rock- und Popkonzerte, Street Food Trucks, Bier-Yoga, und das Bierkistl-Singen für unentdeckte musikalische Talente zielen vor allem auf den Zeitgeist eines jungen Publikums ab, ohne den traditionellen Appeal eines Bierfestes aus den Augen zu verlieren. Auch Kleinbrauereien aus Österreich und Europa sind im Rahmen der Veranstaltung bei Ottakringer zu Gast und stellen ihre Produkte vor. Die Gäste genießen die Vielfalt – und die Gastgeber präsentieren sich als weltoffene Marke ohne Berührungsängste mit der Konkurrenz.

Ganz Wien: individuelle Kommunikation

In der Kommunikation mit seiner regionalen und überregionalen Kundschaft setzt Ottakringer vor allem auf persönliche Ansprache, Daten und Digitalisierung. Das beginnt mit Spielereien für Kunden, die über die Ottakringer-Website eine Kiste Bier mit personalisierten Etiketten für besondere Anlässe gestalten können.

Aber auch in der klassischen Werbung geht Ottakringer neue Wege: so kam für die Bewerbung der Braukultur-Wochen 2019 die erste Audio-Dynamic-Creative-Kampagne zum Einsatz. Individuell auf die User abgestimmte Audiospot-Kreationen wurden in Echtzeit zusammengestellt. Die Kriterien: die Region der Hörer, das aktuelle Wetter an der jeweiligen Location, die Tageszeit der Ausstrahlung sowie das jeweilige Tagesprogramm der Braukultur-Wochen. Eine Premiere in Österreich, und ein klares Bekenntnis von Ottakringer zu modernem Marketing.

Einer von uns: Social Marketing

Trotz moderner Technologie will sich Ottakringer auch als Marke mit traditionell starker Verankerung in der eigenen Community positionieren. Dazu gehört z. B. eine Vereinbarung mit der Stadt Wien, in den immer häufigeren Trockenzeiten bei Bedarf Wasser aus dem Brauereibrunnen ins städtische System einzuspeisen. Unter dem Motto „Jede Dose zählt“ will man die Recyclingrate von Aludosen zugunsten der Umwelt weiter in die Höhe treiben.

Auch in der aktuellen Covid19-Krise macht Ottakringer auf sich aufmerksam: Wer nicht in den Biergarten kann, wird direkt nach Hause beliefert. Und neben dem normalen Brauereibetrieb wird nun kostenlos Flächendesinfektionsmittel herstellt, das von Betrieben der Umgebung kostenlos abgeholt werden kann. Aktionen ganz nach dem Geschmack der Zielgruppe.

Ottakringer: Die MARMIND-top-Tipps

CD regelmäßig modernisieren – dann sieht auch ein gut eingeführtes Logo nicht alt aus.

Eine Welt erschaffen – die Ihr Produkt relevant in Szene setzt und es mit Emotionen auflädt.

Ansprache individualisieren – nutzen Sie gesammelte Daten für eine möglichst persönliche Interaktion mit Ihren Zielgruppen.

Dieser Artikel entstand auf der Basis folgender Quellen:

https://www.handelszeitung.at/handelszeitung/ottakringer-ist-brauerei-des-jahres-2018-172146

https://www.ottakringerbrauerei.at/ottakringer-erlebniswelt

https://www.leadersnet.at/news/34316,beer-base-vienna-ottakringer-brauwerk-erfindet-sich-neu.html

https://www.handelsblatt.com/unternehmen/mittelstand/ottakringer-eine-bastion-mit-bier-und-wasser/3373784.html?ticket=ST-1006474-CcapcrxdbHn1fyRq0UE5-ap6

https://www.sn.at/wirtschaft/oesterreich/ottakringer-bleibt-ein-familienkonzern-27534031

Verfasst von

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Peter Ramsenthaler

Als Peter Ramsenthaler in den 90ern bei einem Weltkonzern arbeitete, stellte er fest, dass Excel-Chaos und mühsame Prozesse dem Marketingteam das Leben erschwerten. Er beschloss kurzerhand eine Software für die sichere Steuerung im Marketing zu entwickeln, damit Marketer außergewöhnliche Ideen umsetzen können.