Als Spotify 2006 in Stockholm gegründet wurde, galt der Musik-Streaming-Markt als tot. Filesharing-Seiten à la Napster waren gerichtlich aus dem Verkehr gezogen, man setzte auf pay per download (Apple) oder exklusive Bezahlsysteme (Pandora). 12 Jahre später notierte der Streaming-Dienst trotz schärfster Konkurrenz an der Börse – mit einem Ausgabekurs weit über den Erwartungen. Wie lässt sich der Erfolg von Spotify erklären? Ist es gar das Netflix der Musikbranche? Und wie begegnet das Unternehmen den Herausforderungen der Zukunft? Wir haben uns umgehört.
Spotify-Gründer Daniel Eck war kein Neuling in der Startup-Szene. Der Verkauf seines AdTech-Startups Advertigo an den Konkurrenten Tradedoubler hatte ihn bereits zum Multimillionär gemacht. Vielleicht einer der Gründe, warum er den Mut besaß, sich an das riskante Musik-Streaming-Business zu wagen. Der von übermächtigen Platzhirschen wie Apple und Pandora besetzte Markt bot einem Startup wenig Chancen, sich zu profilieren.
Nur 12 Jahre nach der Gründung ging Spotify an die Börse, verfügt über in Team von weltweit rund 5000 Mitarbeiter*innen und kann eine aktive Nutzerbasis von über 200 Millionen vorweisen, etwa die Hälfte davon beim zahlungspflichtigen Premium-Dienst. Wie hat es das schwedische Unternehmen so weit geschafft? Und wie versucht Spotiy in einem umkämpften Markt auch in Zukunft zu bestehen?
Erfolgsfaktor PRODUKT: Das „Missing Link“ für Musikfans
2006 gab es für Musikfans entweder die Möglichkeit, über iTunes für jeden Song einzeln zu bezahlen und stationär zu speichern. Streaming-Anbieter wie Pandora boten als Alternative nur begrenzt freien Zugriff auf Musik, andere erforderten ein monatliches Abo, um überhaupt erst Zugriff zu gewähren. Daniel Eck und Co-Gründer Martin Lorentzon schlugen hier eine Brücke: Mit Spotify konnten Musikfans auf eine riesige Musik-Datenbank zugreifen und sich beliebig Playlists zusammenstellen – kostenlos und mit dem guten Gewissen der Legalität.
Für bessere Streamingqualität und Werbefreiheit gibt es das kostenpflichtige Premium-Abonnement. Eine Lücke in einem scheinbar besetzten Markt, und eine unwiderstehliche Value Proposition. Trotzdem brauchte es zwei Jahre, bis die krisengeschüttelten Musikkonzerne von einer Zusammenarbeit überzeugt werden konnten. 2008 startete Spotify schließlich in mehreren europäischen Ländern.
Erfolgsfaktor MARKETING: Wachsen mit Freemium und Kooperationen
Die sogenannte Freemium-Strategie, also parallel eine kostenlose Basisversion eines Produktes neben einer kostenpflichtigen Premiumversion anzubieten, verhalf schon Unternehmen wie Mailchimp zum Erfolg. Auch Spotify nutzte seine von Werbeschaltungen unterbrochene Basisversion zum raschen Aufbau einer breiten Nutzerbasis. Mittels zahlreicher Kooperationen, u. a. mit Facebook, aber auch mit Partnern wie z. B. Vodafone, die Spotify Premium-Abos im Tandem mit seinen Handyverträgen anbietet, liegt der Anteil jener Spotify-Nutzer*innen, die für ihre Musik auch bezahlen, mit 96 Millionen bei derzeit knapp 47% (Angaben: Spotify). Flankierend dazu arbeitet Spotify mit inhouse gestalteten Werbekampagnen, die (anonymisierte) Nutzerdaten clever mit emotionalen Botschaften kombiniert.
Erfolgsfaktor KONTROVERSEN: Aufmerksamkeit durch Aufregung
Immer wieder steht Spotify in der Kritik, vor allem von Künstler*innen. Von den 70% seiner Einnahmen, die Spotify an die Plattenfirmen als Rechteinhaber abtreten, erhalten sie zu wenig. Prominente Beispiele waren Lady Gagas Scheck über 167 Dollar für 1 Million Downloads, oder der Rückzug von Taylor Swift aus Spotify. Doch die Kontroversen brachten Spotify nicht nur Ärger – sondern vor allem die Möglichkeit, sein Geschäftsmodell einer breiten Öffentlichkeit vorzustellen und zu erklären.
Der moralische schwarze Peter landete bei den Plattenlabels, die offenbar einen Großteil der Tantiemen einbehielten – und Spotifys Nutzerbasis wuchs weiter. Darüber hinaus entstanden Verbesserungen um auch weniger bekannten Künstler*innen zu mehr Aufmerksamkeit zu verhelfen. Und auch Taylor Swift ist inzwischen wieder auf Spotify gelistet. Nach einer öffentlichkeitswirksam inszenierten Versöhnung, versteht sich.
Erfolgsfaktor INNOVATION: Einen Schritt voraus mit Agile Transformation
Trotz erfolgreichen Börsengangs: Spotify ist nicht das Netflix der Musikbranche. Würde das Unternehmen selbst beginnen Musik zu produzieren, würde es mit den Plattenlabels mit einem Schlag seine wichtigsten Content-Lieferanten und damit seine Geschäftsgrundlage verlieren. Um sich trotzdem auf Dauer durchzusetzen, benötigt Spotify eine konstant hohe Schlagzahl an Produktinnovationen und neuen Geschäftsmodellen, bei gleichzeitigem Unternehmenswachstum.
Eine Herausforderung, der Spotify mit einer agilen Unternehmens- und Entwicklungsstruktur, der auf dem Scrum-System basierenden „Tribe-Struktur“ begegnet. Kleine Einheiten aus Mitarbeiter*innen agieren wie Startups innerhalb des Unternehmens und widmen sich der Entwicklung von Produkten, die flexibel veröffentlicht und dann kontinuierlich weiter verbessert werden. Es soll Spotify ermöglichen, trotz dynamischem Markt und schier übermächtiger Konkurrenz weiterhin die Nase vorn zu behalten. Bisher gibt der Erfolg dem Unternehmen Recht.
Lernen von Spotify: Die MARMIND Top Tipps
Machen Sie das Leben Ihrer Kund*innen einfacher – erfolgreiche Produkte schlagen eine Brücke zwischen Vorhandenem und dem, was wir uns wünschen.
Versuchen Sie Freemium – eine kostenlose Version schafft eine breite Nutzerbasis, aus der Sie für das bezahlte Angebot schöpfen können.
Werden Sie agil – kleine, autonom agierende Einheiten innerhalb des Unternehmens ermöglichen mehr Flexibilität und Innovation bei gleichzeitigem Wachstum.
Verfasst von
Peter Ramsenthaler
Als Peter Ramsenthaler in den 90ern bei einem Weltkonzern arbeitete, stellte er fest, dass Excel-Chaos und mühsame Prozesse dem Marketingteam das Leben erschwerten. Er beschloss kurzerhand eine Software für die sichere Steuerung im Marketing zu entwickeln, damit Marketer außergewöhnliche Ideen umsetzen können.