„Ein persönliches Treffen wird immer die Krönung sein, wenn man sich austauschen und netzwerken will“

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AMC-Geschäftsführer Dr. Frank Kersten spricht im Interview über die Auswirkungen der Coronakrise auf die Versicherungsbranche und über die Frage, ob virtuelle Konferenzen persönliche Treffen ersetzen können.

Die Marketing- und Vertriebsverantwortlichen aus der Versicherungsbranche zu versammeln – mit diesem Ziel wurde 1994 der Assekuranz Marketing Circle, kurz AMC, ins Leben gerufen. Bis heute ist der Erfahrungsaustausch eines der wesentlichen Anliegen des AMC-Netzwerkes. Im Interview berichtet AMC-Geschäftsführer Dr. Frank Kersten, wie sich das Marketing in der Versicherungsbranche in den letzten 26 Jahren verändert hat und vor welchen Herausforderungen Versicherungsgesellschaften in Zeiten der Coronakrise stehen.

 

Foto Dr. Frank Kersten vom AMC
AMC-Geschäftsführer Dr. Frank Kersten

Das AMC-Netzwerk gibt es nun seit 26 Jahren. Auf Ihrer Website ist zu lesen, dass im Gründungsjahr in der Versicherungsbranche noch keine Rede von „Marketing“ war. Damals sprach man noch von „Werbung“. Inwieweit hat Ihr Netzwerk dazu beigetragen, dass Versicherungsgesellschaften heute nicht mehr nur auf Verkauf setzen, sondern das Thema Marketing breiter denken?

Wenn wir Marketing als unternehmensübergreifende Funktion sehen, stellen wir schnell fest, dass das so in der Versicherungswirtschaft nicht gelebt wird. Eine Untersuchung, die wir vor einigen Jahren zum Thema Marketing in der Assekuranz durchgeführt haben, zeigte, dass sich Marketingabteilungen als Unterstützung für den Vertrieb sehen. Daran ist bereits erkennbar, dass Marketing und Vertrieb eigentlich Hand in Hand gehen. Da der AMC mit seinen Tätigkeiten beide Bereiche anspricht, bewirken wir, dass Marketing und Vertrieb an einen Tisch kommen und sich austauschen.

Sie wollen also in der Versicherungsbranche Verständnis dafür schaffen, dass „Marketing“ keine Werbeabteilung ist, sondern ein ganzheitliches Konzept der marktorientierten Unternehmensführung umfasst?

Wir haben nicht den hehren Anspruch, Marketing als unternehmensübergreifende Führungsfunktion im Unternehmen zu platzieren, sondern gehen sehr pragmatisch an die Sache heran, indem wir sagen: „Lasst uns doch mal vom Kunden her denken!“. Gerade durch die Digitalisierung hat Kundenorientierung zuletzt an Bedeutung gewonnen. Dabei ist es völlig irrelevant, ob es um Marketing, Vertrieb, Produktmanagement oder Aktuariat geht – die Orientierung am Kunden ist für jede Unternehmensfunktion maßgeblich. Wir richten uns also nicht nur an Marketingfachleute, sondern an alle, die Kundenorientierung großschreiben.

Vor welchen Herausforderungen steht die Versicherungsbranche in dieser schwierigen Zeit?

Ich habe den Eindruck, dass die Versicherungsbranche recht gut mit dieser Krise leben kann. Allerdings sind die Vermittler im Außendienst gefordert, neue Lösungen für Kundenansprache, -betreuung und -akquise zu finden. Das ist natürlich eine große Herausforderung, die aber durchaus als Chance begriffen werden kann. Denn die Digitalisierung bietet uns die Möglichkeit, neue Prozesse und Arbeitsweisen zu erlernen, sie zu verfeinern und dadurch letzten Endes erfolgreicher zu sein.

Glauben Sie, dass die Coronakrise einen Anreiz bietet, schneller in Richtung Digitalisierung zu gehen?

Ja. Das Thema Digitalisierung begleitet uns schon seit langer Zeit, worüber ich froh bin, da es die Kundenorientierung sehr stark vorangetrieben hat. Letztendlich geht es bei der digitalen Transformation ja auch darum, für mehr Kundenzufriedenheit zu sorgen. Gleichzeitig muss man aber auch sagen, dass Versicherungen als große Unternehmen keine wendigen kleinen Boote sind, die schnell manövrieren können, sondern auf neue Strategien erst ausgerichtet werden müssen.

Eine Versicherung schließt man ab, um Sicherheit zu gewinnen. Wie wichtig ist es derzeit, das zu kommunizieren? Zeigt die Krise vielleicht sogar, wie wichtig es ist, versichert zu sein?

Unternehmen und Privatpersonen wollen sich unabhängig von Corona gegen bestimmte Risiken absichern. Ob die Coronakrise tatsächlich den einen oder anderen dazu bewegt, eine neue Versicherung abzuschließen, weiß ich nicht. Ich habe das Gefühl, dass momentan Rückzug angesagt ist und sich die Leute auf das Wesentliche konzentrieren, anstatt z.B. die Versicherung für der Hausrat zu erhöhen. Durch den Rückzug ins Private ist man außerdem vielen Risiken in der Außenwelt nicht mehr so ausgesetzt. Dadurch beschäftigt man sich auch weniger mit dem Thema.

Das AMC-Frühjahrsmeeting kann aufgrund der Coronakrise nicht wie geplant Ende April stattfinden. Ihr Netzwerk dient vordergründig dem persönlichen Austausch – was hat Sie dazu bewogen, das Meeting als Onlinekonferenz durchzuführen?

Wir veranstalten seit 26 Jahren zweimal im Jahr das AMC-Meeting und nun findet es das erste Mal nicht im persönlichen Austausch statt. Das bewegt uns schon sehr. Verschieben wollten wir das Meeting nicht, da Ende November das Herbst-Meeting stattfindet. Davor noch ein weiteres Meeting zu platzieren wird schwierig, da wir nicht wissen, wann die Krise vorbei sein wird. Außerdem fanden wird das Tagungsprogramm einfach zu spannend. Deshalb haben wir uns dafür entschieden, das Meeting als Onlinekonferenz abzuhalten und den Teilnehmern die Möglichkeit zu geben, anschließend in den bilateralen Austausch zu gehen. Tatsächlich werden wir es aber nicht schaffen, das Thema Netzwerken so zu moderieren wie wir es gewohnt sind und die Leute zusammenzubringen. Das geht auch rein aufgrund unserer Historie immer nur in diesem persönlichen Rahmen.

Glauben Sie, dass diese Krise die Art und Weise verändern wird, wie Konferenzen in Zukunft abgehalten werden?

Ich glaube, dass der Mensch ein soziales Wesen ist. Mit dem heutigen Stand der Technik kann eine Onlinekonferenz nur teilweise ein Ersatz für ein persönliches Treffen sein. Klar, bei einer Videokonferenz trifft man sich, man kann dem Gegenüber in die Augen schauen – aber es fehlt das haptische Erlebnis. Und jeder, der schon mal ein Webinar gehalten hat, kennt dieses Gefühl, wenn man vor einer Mattscheibe spricht, ohne das Feedback der Teilnehmer zu haben. Von daher wird ein persönliches Treffen immer die Krönung sein, wenn man sich austauschen und netzwerken will.

In der aktuellen Ausgabe des AMC-Magazins schreiben Sie im Editorial über New Work, Homeoffice und agiles Arbeiten. Welche Bedeutung wird Martech, also Marketingtechnologie, zukünftig in der Versicherungsbranche haben?

Überall dort, wo es möglich ist, digitale Lösungen einzusetzen, sollten sie auch eingesetzt werden. Das hat einfach nur Vorteile. Prozesse können beschleunigt und Unternehmensabläufe optimiert werden, sodass man vielleicht nicht mehr zehn Personen braucht, um eine Aufgabe zu erledigen, sondern eine. Oder vielleicht macht die Maschine die Arbeit sogar allein. Man spricht ja auch teilweise schon von Bot Economy, also davon, dass Bots anstelle von Menschen miteinander verhandeln. Außerdem wird ergebnisorientiertes Arbeiten in Zukunft mehr Gewicht gewinnen, denn letztendlich ist es aus meiner Sicht egal, wo man arbeitet – ob zuhause, im Unternehmen oder auf einer Finca in Mallorca – das Ergebnis zählt. Hier die entsprechenden Voraussetzungen zu schaffen wird bestimmt eine spannende Aufgabe, nicht nur für Versicherungsgesellschaften, sondern für Unternehmen im Allgemeinen.

Vielen Dank für das Interview.

Über Dr. Frank Kersten:

Der promovierte Wirtschaftswissenschaftler ist seit 1996 für den AMC tätig, seit August 2010 als geschäftsführender Gesellschafter. Er betreut Themen rund um Marketing, Vertrieb, Kundenmanagement und Kundendialog. Das Thema „Kundenorientierung“ begleitet ihn seit seinem Start im AMC.

Verfasst von

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Johanna Dungl

Johanna Dungl ist Online Marketing Manager bei MARMIND und unter anderem für das Thema Content hauptverantwortlich. Wenn sie nicht gerade damit beschäftigt ist, Inhalte zu erstellen, bastelt sie an neuen Kampagnen.